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Eine Welt wie in Orwells Roman „1984“ ist schon heute technisch möglich, weiß Softwareentwickler Ben. In Zeiten von Datenskandalen wie bei Facebook traut er beim Schutz seiner Privatsphäre daher nicht allein Datenschutzgesetzen, er packt selbst an. Und das geht ganz einfach.
Was soll schon dabei sein, wenn Facebook unser Alter und unseren Beziehungsstatus kennt? „Ich habe doch eh nichts zu verbergen“, winkt so mancher beim Thema Datenschutz ab. Ben sieht das anders. Der Softwareentwickler weiß, dass Alter und Beziehungsstatus nur die Spitze des Eisbergs sind. Was im Datenozean „Internet“ unter der Oberfläche noch vor sich geht, was Facebook & Co. darüber hinaus alles über uns wissen und wie Ben seine Privatsphäre schützt, erzählt er im Interview.
Ben, was geht im Datenozean namens „Internet“ unter der Oberfläche vor sich?
Um das herauszufinden, habe ich kürzlich einen Selbsttest gemacht. Ich wollte unter die Lupe nehmen, in welchem Ausmaß Daten über mich gesammelt und weitergeleitet werden, ohne dass ich es merke. Dazu habe ich sämtliche Datenbewegungen analysiert, die im Hintergrund beim Surfen im Netz stattfinden. Bei Facebook, bei Netflix, bei Google und vielen mehr. Das Ergebnis: Nach nur drei besuchten Webseiten wurden durch mich erzeugte Daten an über 141 fremde Server weitergeleitet. Nach 15 Minuten waren es bereits 505 Server. All diese 505 Server sind mit diesen Daten in der Lage, ein persönliches Profil von mir zu erstellen und weiter zu verarbeiten.
Was wissen Facebook, Google und andere Portale über uns und vor allem: woher?
Mit unserer Einwilligung zeichnet Google etwa einen genauen Standortverlauf unserer Android-Smartphones auf. Damit weiß Google wahrscheinlich besser als wir, wie lange wir zum Beispiel für den Nachhauseweg von der Arbeit brauchen oder wann wir das letzte Mal beim Zahnarzt waren. Mit unserer Zustimmung hören Alexa und Siri bei unseren Gesprächen mit. Mit unserem OK überträgt unser Smart-TV unsere Fernsehgewohnheiten, die Running-App den Herzschlag, die Sleep-App unser Schlafprofil. Unser Auto meldet dem Hersteller unter anderem, wann wir wie schnell fahren oder scharf bremsen. Die beliebte Dating-App Grindr weiß, wer schwul oder lesbisch ist und auch, wie dein HIV-Status ist, wenn du dort angemeldet bist und die Daten angegeben hast. „Privacy is old school“, wie Facebook-CEO Mark Zuckerberg gesagt hat. Die Liste ließe sich noch sehr lange fortführen. Mit jeder Datenschutzerklärung, der wir zustimmen, sammeln Internetdienste Daten über unser digitales Leben. Die gute Nachricht ist, dass immer mehr Onlinedienste mittlerweile umfangreiche Privatsphäreeinstellungen anbieten, mit denen die o.g. Protokollierungen abgeschaltet oder so eingeschränkt werden können, wie es zu unseren Bedürfnissen passt. So auch Google und Facebook.
Was machen diese Portale mit unseren privaten Informationen?
Sie erstellen präzise digitale Profile von uns, um die „Qualität der Dienste“ weiter zu „verbessern“. Je mehr Google etwa über unsere Interessen weiß, desto besser kann die Suchmaschine maßgeschneiderte Ergebnisse für uns im Netz finden oder uns Werbung einblenden, die zu unseren Interessen und unserer Lebenssituation passt. Wohl jeder kennt die Banner mit genau den Schuhen, die man erst drei Tage vorher mit einem ganz anderen Gerät angesehen hat. Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass viele Dienste, die im Netz kostenfrei angeboten werden, sich aus Einnahmen durch Werbebanner finanzieren. Dazu zählen auch viele der unabhängigen und journalistisch wertvollen Zeitungen, die eine wichtige Grundlage für unsere Demokratie sind und die ohne diese Einnahmen wahrscheinlich nicht überleben könnten. Das gilt gleichermaßen für weitere kostenlose Onlineangebote, z.B. Wetterberichte.
Problematisch ist dabei aber, dass unsere privaten Daten nicht zwingend nur in vertrauenswürdige Hände gelangen. Der Dating-Service Grindr zum Beispiel hat den HIV-Status seiner Mitglieder weiterverkauft, wie aus einer Untersuchung der norwegischen unabhängigen Forschungsorganisation SINTEF hervorgeht. 87 Millionen Profildatensätze gelangten im jüngsten Facebook-Datenskandal in die Hände der Firma Cambridge Analytica, die mit diesen Daten angeblich sogar die Wahl von Donald Trump beeinflusst haben soll. Ich möchte mir auch nicht vorstellen, was Hacker zum Beispiel mit meinem minutengenauen Bewegungsprofil anstellen könnten, gelängen sie an diese Daten. Und natürlich könnten Unternehmen wirtschaftliche Entscheidungen zu ihren Gunsten und unseren Ungunsten fällen, je mehr sie über uns wissen. Versicherungen könnten zum Beispiel anhand unseres HIV-Status oder Sportverhaltens entscheiden, ob sie uns versichern oder nicht oder zu welchem Tarif. Wenn wir diese Informationen freiwillig offenbaren, wäre das natürlich völlig legitim, keine Frage. Wissen ist Macht. Diese Macht nutzen aber nicht alle zu unserem Vorteil, das sollte uns bewusst sein, wenn wir uns zum Beispiel einen smarten Staubsaugerroboter kaufen oder im Internet nach Strategien gegen Burnout suchen.
Müssen wir denn in den Wald ziehen und unser digitales Leben beenden, wenn wir unsere Privatsphäre schützen wollen?
Ich glaube nein. Was wir brauchen, ist mehr Bewusstsein beim Umgang mit Medien. 1983 haben wir uns noch per Klage vor dem Verfassungsgericht gewehrt, uns einer Volkszählung zu unterziehen. Heute lassen wir uns bereitwillig rund um die Uhr orten und vertrauen unser digitales Leben und viele private Informationen den verschiedensten Onlinediensten an. Damals hatte das Verfassungsgericht befunden, der Schutz der Privatsphäre sei Teil unseres Grundrechts auf Menschenwürde. Die sogenannte „Post-Privacy-Bewegung“ prognostiziert heute, dass wir mit zunehmender Vernetzung jegliche Privatsphäre aufgeben müssen. Mehr dazu im Beitrag Hereinspaziert.
Ob wir es so weit kommen lassen, liegt auch an jedem einzelnen von uns. Wir müssen uns die Frage stellen: Wie wichtig sind uns unsere Privatsphäre und Menschenwürde? Denn wir können einiges tun, um unsere Privatsphäre zu schützen, ohne auf praktische und geliebte Onlinedienste zu verzichten. Ich persönlich habe dazu einige einfache Gewohnheiten im Umgang mit Apps und beim Surfen im Netz geändert.
Wie hast du seitdem dein digitales Leben verändert?
Jetzt nehme ich meinen Datenschutz sehr ernst. Mit der neuen Datenschutzverordnung legt die EU zumindest einen Grundstein für mehr Sicherheit. Aber ich weiß, dass niemand außer mir für den Schutz meiner Privatsphäre sorgen kann. Ich selbst habe seitdem einiges verändert in meinem digitalen Leben. Ein paar Beispiele...
1Der Wetterbericht
Suchst du etwa nach dem Wetter in Hamburg in drei Tagen, kann es passieren, dass deine Reisepläne in deinem digitalen Fußabdruck landen, auf den unzählige Server Zugriff haben. Viele Apps, vor allem, wenn sie kostenlos sind, sammeln viele Daten über uns, um diese wiederum zu verkaufen und sich damit zu finanzieren. Dazu gehören z.B. auch Wetter-Apps. Anders als eine Wetter-Website hat eine Wetter-App systembedingt sehr viel mehr Zugriffsrechte auf unsere Handys und private Informationen. Deswegen achte ich gerade bei Apps darauf, welche Zugriffsrechte ich ihnen zugestehe. Oder ich schaue gleich nach Online-Alternativen, die ich leichter einschränken kann. Denn bei einer Webseite kannst du dafür sorgen, dass die Suche anonymisiert erfolgt. Wie das geht, erklärt der Beitrag Tauch ab ins Darknet.
2Wi-Fi mit Bedacht
Öffentliche Hotspots sollte man aus Sicherheitsgründen mit Vorsicht genießen, denn sie sind oft unverschlüsselt und Hacker können sie leicht missbrauchen. Telekom-Hotspots hingegen bieten eine sichere Verbindung, da sie sogenannte „VPN“-Verbindungen aufbauen, die verschlüsselt und anonymisiert sind. Grundsätzlich ist es für den Schutz deiner Privatsphäre ratsam, das Wi-Fi nicht permanent aktiviert zu halten. Denn dadurch verhinderst du eine potenzielle Aufzeichnung deines Bewegungsprofils. Das ist nämlich bei aktivierter Wi-Fi-Verbindung möglich. Grundsätzlich achte ich deswegen darauf, wann ich die Wi-Fi-Funktion meines Handys einschalte und wann nicht.
3Suchen mit Tarnkappe
Online-Suchen sind in Sachen „Schutz der Privatsphäre“ ein heikles Thema. Denn alles, was ich suche, gibt sehr persönliche Informationen über meine Interessen preis, die in meinem digitalen Fußabdruck gespeichert und analysiert werden können. Erfreulicherweise gibt es eine Suchmaschine, die sich explizit dem Schutz der Privatsphäre verschrieben hat: Startpage.com. Die Suchmaschine nutzt dabei die Google-Suchergebnisse. Aber anders als Google speichert Startpage.com keine persönlichen Informationen oder Suchbegriffe, setzt keine Tracking-Cookies, bindet keinen Code von Drittanbietern ein und sammelt selbst für interne Statistiken notwendige Daten nur in vollständig anonymisierter Form.
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